Wanderjenosse Sandra
Der Zarth – schon wieder so ein komischer Name! Ich zitiere hier die offiziellen Tourismusseiten im Internet, die angeben der Name stamme aus slawischer Vorzeit und bedeute so viel wie Teufelswald.
Da die Altvorderen mangels Kenntnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge bekanntermaßen zur Übertreibung neigten, glaube ich dem Hokuspokus kein Wort und schaue mir das Ganze bei Tageslicht an. Dank modernem Teufelszeug (GPS) manövrieren wir sicher durch Treuenbrietzen und parken am Ende der Sernowstrasse, an den letzten Häusern vor dem Wald.
Im Höllenschlund des Zarth
Der Wanderweg führt geradeaus bis zu einer großen Infotafel und einem Schlagbaum. Der Beginn des Naturschutzgebietes lässt sich also nicht verpassen. Ich beginne bald meine vorlaute Einleitung dieses Blogposts zu bereuen, denn ziemlich plötzlich umgibt uns ein urwaldartiger, dichter Wald, dem man auf den ersten Blick nicht ansieht, dass er als verkleidetes Flachmoor daherkommt. Aber man riecht es! Ein modriger Geruch entsteigt der Umgebung und der Sumpf, bedeckt mit Entengrütze, kriecht immer dichter an den Weg heran. Das Dickicht scheint undurchdringlich und es ist kaum zu erkennen wo das Wasser aufhört und das Land beginnt. Eine Schwanenfamilie mit fünf Jungen schlägt dem Teufel ein Schnippchen und schiebt sich unbeirrt durch die Entengrütze.
Wir durchqueren den Zarth auf dem einzig möglichen Weg. Rechter Hand ist der Urwald überwiegend ein Totalreservat, in dem, neben vielen anderen Tieren, der überaus seltene und scheue Schwarzstorch nistet. Also Wanderjenossen: hier gilt es Klappe halten und auf dem Weg bleiben! Einige Bäche queren von links nach rechts. Das kenne ich so nur aus dem Gebirge. Damit der Sonntagsläufer sich nicht die Füße nassmachen muss, haben freundliche Waldarbeiter kleine Brücken gebaut. So muss niemand bei der Überquerung der ins Tal donnernden Bergbäche des Zarth sein Leben aufs Spiel setzen.
Der Sumpf verwandelt sich im späteren Verlauf in einem Mischwald mit uralten Bäumen und ich muss zugeben; der Zarth trägt seinen Namen zu Recht. Manch einer der Baumriesen erscheint recht gruselig im Zwielicht des Waldes. Ein schlichtes Gemüt mag da in früheren Zeiten an Dämonen geglaubt haben. Recht bald danach erreichen wir die jenseitige Grenze des Waldes, entdecken noch ein Wildbienenest in einer Baumhöhle und folgen dem Weg entlang herrlicher Wiesen und Felder bis nach Bardenitz.
In Bardenitz ist der Teufel los
In Bardenitz fallen mir sofort die liebevoll gepflegten Häuser und Vorgärten auf. Trotz der mittäglichen Sonntagshitze begegnen uns freundlich grüßende Bardenitzer. Am Ortseingang stehen ein Tisch und Bänke unter einer jungen Buche. Wir nutzen die Gelegenheit für eine Pause. Ein Mann auf einem Fahrrad kommt vorbei, hält an und freut sich offenkundig über unseren Besuch.
„Wollt ihr noch in Zarth?“
„Nee, wir war`n schon da.“
„Ach, wart schon da. Die Andern sind ooch schon losjeloofen mit ihr.“
Ich weiß nicht welche Anderen er meint und auch nicht welche „ihr“ und sage nur:
„Aha.“
Ich frage ihn, ob er Bardenitzer sei. Er bejaht.
„Schön iss et hier“, sage ich weiter.
„Ja, früher war`t ooch schon schön, die Natur und so. Een Kolleje vonne Arbeit aus Ostzeiten hat mir erzählt, dass da paar Schwarzstörche ihr Nest hatten. Hat er selbst jesehn.“
Ich erzähle ihm, dass ich gelesen habe, dass es die immer noch gibt.
„Ja, jesehn hab ick noch keene“, kommt die prompte Antwort.
So reden wir noch eine ganze Weile über Bardenitz, den Zarth und die Hermannsmühle, zu der wir heute auch noch wollen. Er erzählt uns noch vom großen Dorffest auf dem Sportplatz, dass heute stattfindet.
„Da jibt`s Kaffee und Kuchen. Könnta hinjehn. Hab ick den Andern ooch schon jesacht.“
Ich weiß immer noch nicht wer die Anderen sind, bedanke mich aber ehrlich für die Einladung. Wir verabschieden uns und er tritt wieder in die Pedale – Richtung Sportplatz, nehme ich an. Ich taufe ihn nachträglich auf den Namen Manni und bin mir ganz sicher, dass er genauso heißt.
Wir ziehen weiter durch das Dorf, kommen aber nicht weit, da wir uns auf Wunsch des Nesthäkchens den Bardenitzer Hofladen ansehen müssen. Erst etwas später geht mir auf, dass die Eisfahne am Tor den Ausschlag gab. Im einladenden Innenhof zwischen frischem Obst und Gemüse, Blumen und Deko lassen wir uns nieder und beobachten ein Pärchen Hausrotschwänze bei ihrem stressigen Brutgeschäft.
Diabolisches Brauchtum
Danach geht’s weiter. Aus dem Ort hinaus folgen wir dem Wegweiser Hermannsmühle. Schon nach zehn Minuten langen wir an der Wassermühle an. Ursprünglich eine Papiermühle, ist Sie jetzt in Privatbesitz (weiß ich von Manni) und das große Schaufelrad dreht sich nur noch zum Spaß für vorbeiziehende Wanderer. Wir reißen uns von dem pittoresken Anblick los und biegen hinter der Mühle rechts ab. Ab hier befinden wir uns auf dem Rückweg. Der Weg führt in großem Bogen um Bardenitz herum und ist offenbar wenig belaufen. Wir landen an einer anderen Ecke des Ortes wieder an. Kurz vor dem Ortseingang fällt uns zwischen ordentlich gepflegten Gemüseparzellen ein Fleckchen Erde auf, auf dem in zwei Reihen unterschiedliche, heimische Bäume stehen. Sie sind artig in Reih und Glied gepflanzt. Da stehen eine Weide neben einem Kirschbaum und ein Walnussbaum neben einer Kiefer. Dazwischen ein Gang zum Flanieren und um die eingepflockten Namenschilder zu lesen.
Eine Tafel gibt Auskunft darüber, dass der harte Kern der Bardenitzer (steht da wirklich) jährlich zu Fastnacht Einen aus ihrer Mitte erwählt, der ein Jahr lang für diese Parzelle verantwortlich ist und dazu noch einen Baum pflanzen muss. Die Pächter der letzten Dekade sind einzeln namentlich aufgelistet und so ist für jedermann sichtbar, dass der harte Kern vorbehaltlich ein Männlichkeitsritual pflegt. Ich persönlich vermute, dass ein Zugereister den von Natur aus fastnachtsmuffeligen Märkern einen Kompromiss im Gegenzug für die Verweigerung des Verkleidens und des Kamelleschmeißens abgerungen hat. Sozusagen eine brandenburgisch-diabolische Winteraustreibung am heimischen Stammtisch mit anschließender Aufforstung. Ich freue mich über den einfallsreichen Pragmatismus meiner Landsleute und wir ziehen südlich des Zarth über die Wiesen und Felder zurück zum Ausgangspunkt unserer Wanderung.
TIPP
Besucht den Hofladen in Bardenitz, Dorfstrasse 64. Hier könnt ihr bei Eis und Kleinigkeiten gemütlich im Hof pausieren.Streckeninfos
Start: Treuenbrietzen, SernowstrasseZiel: Treuenbrietzen, Sernowstrasse
Rundwanderweg: ja
Länge: 11,8 km
Schwierigkeitsgrad: leicht
halb schattiger / halb sonnig
Der Zarth in Bildern
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2 Comments on “Durch den Teufelswald Zarth”
Liebe Sandra,
das ist ja ein Träumchen von Wald! Schön, dass es für Entdecker dieses Fleckchen Erde gibt und ein Segen für Flora und Fauna. Danke fürs Mitnehmen!
Hallo Peggy,
schön, dass Dir unser Tipp gefallen hat. Ich freue mich immer, wenn andere Entdecker meine Leidenschaft für die Naturlandschaften Brandenburgs teilen.
Libe Grüsse
Sandra