Kultur und Natur rund um den Schwielowsee

SandraAusflug, Havelland, Wandern0 Kommentare

Nüchtern betrachtet hat die Havel hinter Potdam die Kurve nicht gekriegt. Sie quetscht sich von Norden kommend durchs Caputher Gemünde, – so heißt die Engstelle hier – um dann gleich wieder nach rechts abzubiegen und sich erneut bei Baumgartenbrück durch den schmalen Durchlass zu zwängen. Da kann man schon mal aus der Form geraten und auf 5Km Länge und 2Km Breite ausleiern. Das Formlose ist der Schwielowsee, ein großer, wenn nicht gar der größte Havelsee.

Blick auf den Schwielowsee

Seeblick von Ferch nach Flottstelle

Mit Feinsinn betrachtet hat die Havel hier den herrlich schilfumstandenen Schwielowsee ausgebreitet, für deren Erscheinung sich schon Fontane begeistern konnte. Zu dessen Entstehungsgeschichte ließ er sich in seinen „Wanderungen durch die …“ (na ihr wisst schon wo) ausführlich in einer Stammtischtheorie aus. Ob er über die gerade etablierte Eiszeittheorie nichts wusste oder Sie ablehnte, kann ich nicht sagen. Auch die Altvorderen hatten schon einen Sinn für den See, wenn auch wohl einen eher pragmatischen. Eignet sich der flache See doch vortrefflich zum Fischen. Mit dem Schilf ließen sich niederschlagssicher Häuser bemützen und die dichten Wälder, die noch heute bis an die Uferlinie reichen, ließen sich prima verheizen und boten allerlei jagdbarem Getier Unterschlupf. So ist es kaum verwunderlich, dass sich am Ufer des Schwielowsee die Orte Caputh, Ferch, Petzow und Geltow aufgereiht haben.

Caputh

In Caputh verbrachte schon Kurfürstin Dorothea ihre Sommerfrische – in ihrem Schloss in der ersten Reihe am Wasser. Später tat Albert Einstein es ihr gleich – dem geänderten Zeitgeschmack entsprechend in einem hölzernen Sommerhaus am Waldrand. Beide Wohnsitze könnt ihr heute noch besichtigen. An den vielen, stattlichen Villen im Ort könnt ihr entlang defilieren, wenn ihr von Caputh in Richtung Flottstelle loswandert. Das Geld kam jedoch spät nach Caputh. Obwohl direkt am Schwielowsee gelegen, hatten die Caputher keine Fischrechte und die Landwirtschaft war schwierig. Der flache Uferstreifen ist schmal, gleich erhebt sich Wald auf recht steilem Gelände. Da war mit muskelbetriebenen Ackergeräten nur wenig auszurichten. So lebte es sich lange bescheiden. Das änderte sich, als man im 19. Jahrhundert entdeckte, dass man märkischen Ton aus dem Sand buddeln, in kleine, rechteckige Formen einkneten, im Ofen hartbrennen und gewinnbringend nach Potsdam und Berlin verkaufen konnte. Dort wurden sie den märkischen Ziegelbrennern aus den Händen gerissen, um in Fabriken und Häusern verbaut zu werden. Und die Caputher, die um den Schwielowsee zu überqueren, schon immer gut Boote bauen konnten, bauten nun flache Kähne für den Ziegeltransport und schipperten über die ihnen bestens bekannten Gewässer. So kamen viele zu einem sicheren Einkommen. Mit der aufstrebenden Metropole Berlin wollten mehr und mehr Städter auch mal „wat  früschet“ essen. Also professionalisierten die Caputher ihren Obstanbau, den sie schon länger betrieben und machten bald den Werderanern Konkurrenz.
Inzwischen hatte Caputh also einen guten Klang im Ohr der Berliner. Und als diese feststellten, dass waldgrün dem Auge mehr schmeichelt als ziegelrot, entdeckten sie den Schwielowsee als gut zu erreichendes Ausflugsziel. Zu den ernsten und heiteren Landpartien dieser Zeit schrieb Fontane auch allerhand in seinen „Wanderungen durch die …“ (ja, ihr wisst). Ähnlichkeiten mit heute lebenden Personen sind rein zufällig.

Caputher Gemünde Schwielowsee

Blick vom Caputher Gemünde über den Schwielowsee nach Petzow

Ich besuche solche Orte gerne außerhalb der Sommersaison. Die Schönwetterläufer und –bootfahrer sind zu Hause und entlang der Uferpromenade sieht man was vom Wasser. An der Aussichtsplattform am Caputher Gemünde nehme ich den ersten Schnapper Schwielowluft und gewöhne meine Augen an die bootlose Weite.

Huteeichenweg

Bis Flottstelle geht es durch den Wald und dann auf dem Radweg entlang der Straße. Der Januar beschenkt mich mit wenig Auto- und Radbetrieb. An Sommerwochenenden ist man als Fußläufer hier sicher das schwächste Glied der Verkehrskette. Zum Glück zweigt der Weg bald nach links in das bewegte Ufergelände ein. Ein Schild bedeutet mir ein altes Huteeichengebiet.

Huteeichenweg Scjwielowsee Schild

Hier gehts lang

Ein Hutewald war in früheren Zeiten eine Waldweide. Die Menschen der Gegend trieben ihre Schweine, Schafe, Ziegen und was sie sonst so hielten in den Wald. Das fraß das Vieh alles was es an fressbaren fand: die Krautschicht, überhängende Zweige und Blätter, Knospen und Jungwuchs. Je nach Dauer und Intensität entstanden so mehr oder weniger lichte Wälder in denen Baumverjüngung kaum eine Chance hatte. Bestimmte Bäume, also Eichen oder Buchen schützte man, denn sie lieferten die begehrten Eicheln oder Bucheckern zur Viehmast.

Huteeichenwald Schwielowsee

Blick vom Huteeichenweg über den Schwielowsee

Diese Mastbäume wurden zu langlebige, dickstämmige Bäume, die man heute noch lebendig oder als tote Riesenstümpfe sehen kann. Entlang des Huteeichenweges zwischen Flottstelle und Ferch stehen vereinzelt noch einige Eichen zwischen den regimeführenden Kiefern.

Ferch

In Ferch könnt ihr den Charme des ehemals abgeschiedenen Fischerdorfes noch erahnen. Nicht von ungefähr zog das Örtchen viele Künstler in seinen Bann, Die ganze Gegend wird auch als „Havelländische Malerkolonie“ bezeichnet. Als Gegenentwurf zur durchgestylten Potsdamer Schlösser- und Gartenlandschaft traf man als Künstler hier auf Ursprünglichkeit und Abgeschiedenheit. Berge, Wälder, Moore, Wiesen, Felder, Dörfer und natürlich der Schwielowsee gaben im wechselnden Licht der Jahreszeiten stets neue Motive ab und inspirierten. Da geht’s dem Künstler wie dem Wanderer. Die Mark ist zu jeder Zeit schön, man braucht nur Augen um zu sehen.
Für die schmucke Fischerkirche und das schilfgedeckte Museum der Havelländischen Malerkolonie muss ich nochmal wiederkommen, denn im Corona-Winter liegt das Kulturelle gezwungenermaßen auf Eis. Den Kunstpfad Ferch könnt ihr aber auch unter diesen Umständen beschreiten. Er führt durch den kleinen Ort entlang der Häuser in denen die Künstler gelebt und gewirkt haben. An der Südspitze des Schwielowsee befindet sich der Mühlengrund. Hier stand natürlich mal eine Wassermühle, die von einem Fließ angetrieben wurde. Heute fließt hier nix mehr und deshalb hat sich Erlenbruchwald ausgebreitet. Da sich der geneigte Ferchbesucher dennoch nasse Füße holen könnte, hat man den Wiesensteg aus Holz hierhin gebaut und so könnt ihr unbehelligt euren Weg entlang der Uferpromenade fortsetzen und weiter Häuser und See angucken.

Löcknitz

Solcherart geistig entrückt, lässt sich der Weg entlang der Straße bis zum Abzweig in den Wald auch gut aushalten. Bevor es nun bis Petzow durch den Wald geht, versperrt ein morbides Gemäuer aus vorgestriger Zeit den Weg. Was mit Rundturm bestückt und mit Wirtschaftsgebäuden umstandenem Innenhof auf den ersten Blick wie ein altes Herrenhaus aussieht, entpuppt sich bei näherer Besichtigung als die ehemalige Ziegelei Löcknitz. Seit 1752 wurden hier von den (von) Kähne Ziegel produziert. Das „von“ erhielt die Petzower Selfmade-Dynastie erst 1840 vom Preußenkönig. Da waren die (von) Kähne schon ganze 200 Jahre äußerst umtriebig und merklich erfolgreich in Petzow ansässig.
Der überkommene Ziegeleikomplex umfasst noch ein Wohnhaus einschließlich Toilettenhäuschen, ein Ziegeleiarbeiterhaus, diverse Wirtschaftsgebäude und das Ziegeleiverwalterhaus. Abenteuerlustige Wanderer können im Unterholz des Grundstücks noch die überwucherten Fundamente des Schornsteins, Reste zweier Ziegelöfen und Überreste von Ziegelpressen entdecken.

Petzow

Wenn ihr die Schilftürme passiert, die den Eingang zum Schlosspark Petzow flankieren, seid ihr im Epizentrum der märkischen Landschaftsgestaltung. Die beiden Großmeister Schinkel und Lenné haben hier ein architektonisches und landschaftsgärtnerisches Gesamtkunstwerk hingestellt, das auch den letzten Kulturbanausen anfasst.

Schlosspark Petzow

im Schlosspark am Haussee

Ab 1820 hat der amtierende (von) Kähne die Umgestaltung seines Sitzes veranlasst, um seinen Statusansprüchen Nachdruck zu verleihen. Englische Landschaftsgestaltung war zu der Zeit der neueste Hype und so entstand ein Ensemble aus Schloss, Park, Dorfkirche und Gutsanlage mit geschwungenen Wegen und jeder Menge Aus- und Durchsichten auf den Schwielowsee. Nach 1945, als alles Preußische ideologisch unaussprechlich und politisch geächtet war, waren Park und Gebäude nicht nur dem Verfall sondern auch dem Vandalismus schutzlos ausgeliefert. Wenn ich heute durch den Park laufe, ist es kaum zu glauben, dass 1990 von all dem fast nicht mehr übrig war. Viel Geld und Mühe hat es gekostet das historische Antlitz wieder herzustellen und einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen.

Schloss Petzow Parkansicht

Die schöne Parkansicht des Schloss Petzow

Vieles ist gelungen, manches eher nicht. Das Schloss hätte meiner Meinung nach ein wenig mehr Liebe verdient. Beim Wohnungsanbau mit Seeblick behielt der schnöde Mammon ganz eindeutig die Oberhand. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn Wind und Wetter ein paar Jahrzehnte gewirkt haben, wird man sich doch Kopf wackelnd fragen: „wie konnte man nur…?“  Das werde ich noch erleben, versprochen!
Davon abgesehen, lohnt es sich ein bisschen Zeit für Petzow einzuplanen. Klettert unbedingt auf den Kirchturm! Die Aussicht über das wasserreiche Umland ist atemberaubend.

Rendezvous mit Tussy

Der Weg bis nach Baumgartenbrück ist weniger spektakulär. Das liegt mit Sicherheit aber daran, dass ich von Petzow noch geflasht bin.

Blick über den Schwielowsee nach Caputh

Ländliche Idylle am Schloss Petzow

Geht es zuerst noch ganz nett durch den Wald, führt der Weg dann entlang der Straße bis über die Havel. Das herausragende ist noch der Blick von der Baumgartenbrücke über die Werderaner und Geltower Kirchen-Skyline. Am historisch verbürgten Gasthaus vorbei, in dem Fontane (natürlich) schon sein werdersches Bierchen trank, geht es das letzte Stück gut beschattet bis zum Caputher Gemünde zurück. Hier dürft ihr Bekanntschaft mit einer echten Tussy machen.

Fähre Caputh

Die Tussy II setzt über nach Caputh

Mit der „Tussy II“ um genau zu sein. Die Seilfähre schippert geruhsam über die Engstelle nach Caputh. Schon seit 1853 geht es hier rüber und nüber und die Nachfahren des ersten Fährmannes sind immer noch am Ruder. Und was ist mit einer „Tussy I“? Ja, die gibt es. Die Vorgängerdame wurde 1998  verrentet und verbringt Ihr Altenteil direkt vor der Fährstelle neben der Straße.

TIPP
Ein ganz anderer Kulturkreis öffnet sich im Japanischen Bonsaigarten in Ferch. Wer Lust hat kann sich in der fernöstliche Gartenatmosphäre das volle Kontrastprogramm zur Märkischen Kulturlandschaft holen.

Start: Straße der Einheit, An der Fähre Caputh, 14548 Schwielowsee (OT Caputh)
Ziel: Straße der Einheit, An der Fähre Caputh, 14548 Schwielowsee (OT Caputh)
Rundwanderweg: ja
Länge: 15,5 km
Schwierigkeitsgrad: leicht
sonnig / schattig: 30/70

Quellen: 

Theodor Fontane, “ Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Havelland“, 1991 (1. Auflage), Aufbau-Verlag Berlin und Weimar GmbH

Manfred Reschke, „Die Havel, Natur und Kultur zwischen Müritz und Havelberg“, 2018 (3. Auflage), Trescher Verlag

Caputh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Caputh

Ferch:
https://www.wikiwand.com/de/Ferch_(Schwielowsee)

https://www.havellaendische-malerkolonie.de/cms/zeigeBereich/23/kunstpfad-ferch.html

Petzow:
https://www.ziegelzeichen.de/ziegelstempel-von-kaehne/

Denkmale in Brandenburg

https://wirsindwerder.de/werder-havel-ortsteile/petzow/

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Wanderjenosse Sandra

Sandra

Ich bin in Brandenburg aufgewachsen und liebe die Märkische Landschaft und ihre Menschen. Ich bin Immer auf der Suche nach den schönsten und abgelegensten Winkeln zum Wandern und darüber Schreiben.

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