Um den Strengsee im Havelland

SandraHavelland, Wandern0 Kommentare

Vogelbeobachtungsturm bei Netzen
Eine Tour, zwei Berichte!
Mutter und Tochter bloggen über Ihre Wandererlebnisse!

Wanderjenosse Sandra

Heute wollen wir zur Abwechslung mal ins Havelland. Bei hochsommerlichen Temperaturen und brüllender Sonne haben wir uns in die überwiegend baumlose Gegend nicht getraut. Jetzt im Herbst sind wir guten Mutes zumal der Vogelzug in vollem Gange ist und ein bisschen Action verspricht. Und ja, es tut mir leid, es geht schon wieder um Vögel. Nicht, dass wir ornithologisch besonders bewandert wären, aber man kommt an denen In Brandenburg einfach nicht vorbei.

Gleich zum Vogelbeobachtungsturm

Los geht’s hinter Netzen am Emster Kanal. Wir folgen der holprigen Netzener Dorfstraße und dem Mühlendamm bis zum Parkplatz am Kanal. Der Parkplatz ist nicht weiter ausgewiesen, also einfach hinstellen, wo die anderen stehen; kurz vor der Fußgängerbrücke über den Kanal.

Emster Kanal bei Netzen

Am Emster Kanal

Wir stiefeln los über die Brücke, dann gleich links in Richtung Vogelbeobachtungsturm. Der Weg ist verhältnismäßig wenig begangen. Das feuchte Gras steht hoch, die Äste der überhängenden Bäume klatschen mir ins Gesicht und der Wind weht massenhaft Blätter über die Wiesen. Schön, wie es so herbstelt. Nach ein paar Minuten haben wir den Turm schon erreicht. Wenn wir so getroffen haben, könnt ihr HIER lesen.

Hoffentlich nichts Gutes von oben

Wir ziehen weiter und wollen den Strengsee im Uhrzeigersinn umrunden. Es gibt keine Wegweiser, also halten wir uns an jeder Abbiegung einfach rechts, so müssen wir logischerweise irgendwann wieder am Ausgangspunkt ankommen. Die (Wild)gänse (sind wahrscheinlich Graugänse) ziehen in kleinen Trupps im Tiefflug über uns hinweg. Sie veranstalten solch einen Lärm, dass man kaum sein eigenes Wort versteht. Unser Nesthäkchen zieht den Kopf ein aus Angst eine der Gänse könnte etwas Unappetitliches fallen lassen.  Ich rede ihr ein, dass Gänse nicht im Flug kackern, weiß aber nicht genau, ob dem wirklich so ist. Einige Vogelarten entledigen sich ihrer Last wirklich nur im Sitzen. Sie ist nicht ganz überzeugt und auch ich hoffe beim Anblick der unzähligen Vögel, dass jeder weiß was sich gehört.

Gänse am Himmmel über Netzen

Gänse überall

Wohnst Du schon?

Mir fallen unterwegs jede Menge Ansitze im individuellen Design auf. Alle sind mehr oder weniger phantasievoll zusammengezimmert. Einige bestehen nur aus einer kleinen Plattform mit Sitz und Geländer – die Freiluftversion. Auch mit oder ohne Leiter erhältlich. Andere sind rundum verschalt, haben eine Tür, mit Vorhängeschloss versteht sich,  und nur eine kleine Guckluke. Hier kann man es sich auch an ungemütlichen Herbsttagen Wohlsein lassen. Die Premium Version verfügt über 2 Räder, um bei Bedarf mittels Muskelkraft  den Standort zu wechseln. Mein Lieblingsstück ist jedoch das Modell „Panorama“, vorne verschalt mit Guckfenster, hinten rückenfrei. Ich will glauben, dass alle Sitzhilfen der Vogelbeobachtung dienen und nicht etwa der Tarnung, um die Tiere hinterrücks in einen Martinsbraten zu verwandeln. Meine Annahme lässt sich leider nicht überprüfen, alle Kanzeln sind unbesetzt.

Feige Vögel

Unser Nesthäkchen hopst munter vorne weg. Als ich  mich schon beschweren will, weil sich keine Vögel mehr blicken lassen, schwingt sich direkt neben ihr, aus den Tiefen des Schilfes ein riesiger weißer Vogel  in die Höhe. Nesthäkchen kriegt einen Riesenschreck; sie hat ihn mit ihrem Rumgehopse aufgescheucht. Danach starten nacheinander noch vier Weitere und fliegen auf den See hinaus. Um es kurz zu machen, nach der Google-Befragung in der heimatlichen Hütte, kann ich verkünden, dass wir Silberreiher aufgescheucht haben. Ein paar Meter weiter haben sich ein paar Kormorane angesiedelt. Die sind genauso feige.

Reicht jetzt aber mit Vögeln

Das war es jetzt aber mit Vögeln. Also fast, einer kommt noch! Der Weg führt nun weg vom See und laut Karte bis zu einer Landstraße, die wir dann ein Stück entlanglaufen müssen. Auf Straße haben wir bekanntermaßen keine Lust und wollen es stattdessen querfeldein versuchen. Ist lt. Karte sogar eine Abkürzung. Also, schlagen wir uns  zuerst am Rand eines Maisfelds durch die Botanik und später am Rand eines Schilfgürtels entlang. Wir müssten eigentlich quer durch, das geht aber nicht, weil der Boden  viel zu feucht ist. Wir müssen ziemlich aufpassen, dass nicht einer in einem der feuchten Löcher verschwindet. An dem Punkt hat der Silberrücken natürlich gleich gewusst, dass die Abkürzung nicht funktioniert und stapft übellaunig vor sich hin brabbelnd hinter uns her.

Schilf bei Netzen

Hier gehts nicht weiter

Dafür entgeht ihm die Bekassine, die wir vor uns im Gras entdecken. Ich bin über die Größe erstaunt, als sie auffliegt. Ich habe bisher noch keine gesehen, hatte sie mir aber kleiner vorgestellt. Siehste, wieder was gelernt. Da durch das Feuchtgebiet ohne Gummistiefel kein Durchkommen ist, müssen wir nun doch zur Straße. Es sind dann aber doch nur ein paar hundert Meter bevor ein ausgeschilderter Wanderweg uns zurück nach Netzen leitet.

Und dann, kurz vor Netzen treffen wir auf eine Spezies, die wir den ganzen Sommer  in Brandenburg vermisst  haben: WANDERVÖGEL. Also, richtige  Wanderer. Nicht die Turnschuhfraktion auf Sonntagsspaziergang.  Und gleich zwei davon. Und in Wandervollausstattung! Seelenverwandte! Gleichgesinnte! Ich krieg mich gar nicht wieder ein. Die Beiden gucken ebenso erfreut wie wir, als wir mit großem Hallo an einander vorbeiziehen.
Wir sind also doch nicht die letzten unserer Art.

Wanderjenosse Lea

Heute soll es ins Havelland gehen. Aber wer will denn schon an die Havel? Wir fahren lieber an irgendwelche unbekannten Seen. Hier erlebt man das Meiste und muss sich nicht mit anderen Nicht-Wanderern herumschlagen. Deshalb nicht die Havel, sondern der Netzener See. Der Netzener See ist ganz in der Nähe von Netzten. Wer hätte es gedacht?! Übrigens ist Brandenburg ein ganz tolles Reiseziel für Misanthropen. Man sieht so wenig Menschen, dass man manchmal schon anfängt an deren Existenz zu zweifeln. Auch Netzten ist da keine Ausnahme. Der gleichnamige See schon.

Überraschung

Es gibt einen politisch korrekt ausgewiesenen und gepflasterten Parkplatz. Zweite Überraschung: Wir treffen Menschen. Verwundert laufen wir also gleich los. Vor uns grün, hinter uns grün, rechts von uns grün. Nur links nicht. Da plätschert ein Wässerchen vor sich hin. Auch der versprochene Aussichtsturm kommt bald in Sicht.

Vogelbeobachtumsturm bei Netzen

Der einsame Vogelbeobachtungsturm

Ein bisschen enttäuschend ist er ja schon. Ein unförmiger, rechteckiger Holzklotz steht irgendwo im Nirgendwo und ähnelt noch nicht einmal einem Turm. Von oben kommt in unregelmäßigen Abständen immer wieder ein Grummeln, Grunzen und Schnaufen und schließlich ein ersticktes Lachen. Wir lassen uns nicht abschrecken und erklimmen den Systemfehler. Oben können wir die Verursacher des Lärmes identifizieren. Es sind die 4 Bierbuben vom Bunker, die sich einen lustigen 3. Oktober machen. Als nächstes fällt mein Blick auf die leeren Plastikflaschen. Bierplastikflaschen. Nächster Schock: Die ebenfalls halb leere Kräuterschnapsflasche. Wenigstens ist die aus Glas. „Tach“, dröhnt es. Ein knappes Erwidern unsererseits. Sie widmen sich wieder ihrem Schnaps. Wir uns den Vögeln. Ich werde auf ein fest gekettetes Fernglas aufmerksam und will es mir nehmen. Der Silberrücken stellt sich demonstrativ davor und will zuerst Vögel zu gucken. „Willste mein`s haben?“, lässt es sich aus dem hinteren Teil des Bunkers vernehmen. Brav bedanke ich mich und nehme das besagte Stück in die Hand. Auch wenn ich keine Ahnung von Vögeln habe, ist es doch ein ganz nettes Spektakel. Irgendwann melden sich die Jungs wieder zu Wort und fangen an, von der guten alten Zeit zu erzählen. Als die Kinder noch jung waren, widerstandslos mitgelaufen sind und die Weiber nicht gemeckert haben. Dann bläst der Stammesälteste zum Aufbruch und wir stehen alleine im Bunker. Eigentlich ist es doch ganz nett hier. An der Wand hängen Vogelbestimmungsposter und ein Tisch ergänzt die Runde. Man gab uns noch den Tipp, sich in das Gästebuch einzutragen. Ja, so etwas gibt es hier! Das Buch wird nun also aufgeschlagen, und wir stellen fest, dass die werten Herren ebenfalls einen Beitrag hinterlassen haben und einem Wanderverein angehören. Beim weiteren Durchblättern liest man so einiges. Von nächtlichem Techtelmechtel und aufdringlichen Fröschen ist die Rede. Der Bunker scheint in der Gegend beliebt zu sein und auch öfter mal zweckentfremdet zu werden. Auf einmal bekommt das Wort „vögeln“ eine ganz andere Bedeutung. Schließlich verewigen auch wir uns im Gästebuch und ziehen dann weiter, denn die nächste Truppe bricht unten schon die Tür ein.

Hoch sitzen im Havelland

Immer weiter schreiten wir voran und der Fortschritt bahnt sich einen Weg. Es ist wohl das erste Mal, dass wir mehr als eine Stunde laufen ohne Pause zu machen. Fleißig werden Fotos gemacht und wilde Diskussionen geführt. Dann entdeckt Wanderjenosse Sandra das nächste Kuriosum. Einen Hochsitz. Das ist  an sich nichts Ungewöhnliches. Es wird erst ungewöhnlich, als ich den Bürostuhl, der eine ganz tolle Aussicht genießt, erblicke. Einen Drehbürostuhl. Oben. Auf dem Hochsitz. Irgendwo in Brandenburg, in einem Dorf von dem ich den Namen schon halb wieder vergessen habe?! Wer mich jetzt noch blöd anguckt, weil ich an der menschlichen Intelligenz Zweifel, den guck ich blöd zurück an.

Hochsitz am Strengsee

Freiluftbüro

 

Wer bin ich?

Den Schock, den ich von dem Hochsitz habe, muss ich erst noch verarbeiten und sage erstmal gar nichts. Irgendwann kommen wir auf einen Deich und laufen direkt am Wasser entlang. Der Tag nimmt seinen Lauf und wir erreichen ein Maisfeld. Das Nesthäkchen macht sich gleich mutig daran, Mais in ihre Taschen zu stopfen. Das Gerücht besagt ja, dass dann der Bauer kommt und dich mit seiner Mistgabel jagt. Dann heißt es schnell wegrennen. Dieser Fall bleibt uns zum Glück erspart und wir können unseren Unfug in Ruhe treiben. Ich begnüge mich mit den Blättern und stecke sie mir in die Haare. Als Hasenohren. Schließlich folgt noch der Bart. Ein richtiger Schnauzer. Wie der von Horst Lichter.

Im Maisfeld bei Netzen

Wer bin ich?

Dann wollen wir ganz schlau sein und eine Abkürzung nehmen. Das geht richtig in die Hose. Statt abzukürzen, irren wir ziellos und überfordert durch die Pampa und ertrinken gelegentlich in einer Pfütze. Irgendwann kommen wir dann zum Glück an eine Straße und es kann wieder auf dem richtigen Weg weiter gehen.

Was bin ich?

Bald geht es auch schon wieder auf das Feld. Wir versuchen uns an den Weg zu halten damit nicht noch so ein Malheur passiert. Ein grünes, halb verwittertes, überdimensionales Vogelhäuschen hängt an einem Baum am Wegesrand. Und es ist ja wohl klar, dass ein Mensch das Ding hier hingehängt hat. Der halbe Meter der die Hütte noch von der Erde trennt, scheint uns auch ein bisschen ungenügend. Kurz gesagt: Eine komplette Fehlkonstruktion. Wie sich später herausstellt, muss das so sein. Externe Quellen haben uns berichtet, es sei wohl als Behausung für die Schellente gedacht. Fehlalarm. War doch kein menschliches Versagen. Schade!

Vogelhaus am Baum

Wer wohnt denn hier?

Havelland ohne Havel

Tatsächlich kommen wir nun auch recht schnell wieder ans Auto. Eine sehr amüsante Tour geht zu Ende. Und ich hatte Recht: Der Netzener See war viel spannender als es die Havel je sein könnte (auch wenn ich noch nicht an der Havel war). Ich räume ein: Das Intro mit der Havel war Ironie, aber das weiß ja keiner.

 

Start: Parplatz am Emster Kanal, 14797 Netzen
Ziel: Parplatz am Emster Kanal, 14797 Netzen
Rundwanderweg: ja
Länge: 6,8 km
Schwierigkeitsgrad: leicht
voll sonnig

Der Strengsee in Bildern

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Wanderjenosse Sandra

Sandra

Ich bin in Brandenburg aufgewachsen und liebe die Märkische Landschaft und ihre Menschen. Ich bin Immer auf der Suche nach den schönsten und abgelegensten Winkeln zum Wandern und darüber Schreiben.

Wanderjenosse Lea

 

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