Wenn man sich mit Preußischer Geschichte und den dazugehörigen Monarchen beschäftigt, kommt man an den vielen Schlössern nicht vorbei, die sich ein jeder von ihnen hat bauen lassen. Sei es weil sich der eigene Architekturgeschmack mit dem des Vorgängers partout nicht deckte oder weil die Größe der vorhandenen Adelssitze dem eigenen Selbstverständnis nicht entsprach. Und so stolpert man heute in Potsdam, Berlin und im früher per Pferdekutsche zu erreichenden Umland geradezu über Preußische Residenzschlösser, Witwen- und Sommersitze.
Das Schloss am Rand
Nun glaubte der Wanderjenosse doch tatsächlich alle zu kennen und (fast) alle schon besucht zu haben, bis mir der Silberrücken das Buch „Kossenblatt – Das vergessene Königsschloss“ von Günter de Bruyn unter die Nase hielt und meinte: „Hier, das ist doch was für dich.“ Was soll ich sagen; wir kennen uns eben schon länger.
Bis zu diesem Moment hatte ich von dem Ort mit dem kauzigen wie eingängigen Namen nebst Schloss noch nie gehört und musste zur Lage dieses Kossenblatt ein wenig Kartenmaterial zu Rate ziehen. Schnell war klar, dass sich dort, wo die Spree durchs Nirgendwo fließt, ein Schloss versteckt, dass von mir besucht werden will.
Dieses übersehene Schloss Kossenblatt ist nichts weniger als ein ehemaliges Residenzschloss. Der Soldatenkönig, Friedrich Wilhelm I., hat es in fortgeschrittenem Alter als einziges Schloss zu seinen Lebzeiten gekauft. Das war 1736. Mit einem Residenzschloss im Ort wurde das damals schon als abgelegen geltende Kossenblatt plötzlich in einem Atemzug mit Potsdam oder Königs Wusterhausen genannt. Gleich hinter dem Ort verlief die Grenze zum Königreich Sachsen. Hierher, an den Rand seines Reiches, zog sich der König zurück, um dem höfischen Trubel zu entgehen und seine „Gicht auszusitzen“, wie Fontane es nannte. Der war natürlich auch schon hier.
Ein Märkisches Dornröschenschloss
Die Geschichte hat es insoweit gut gemeint mit dem Schloss, als dass es alle Kriege und andere Unbill unbeschadet überdauert hat und sich ab und an willige Hände zur Erhaltung bereitgefunden haben. Nur mit den Menschen hat das Schloss weniger Glück gehabt. Keiner konnte oder wollte so recht darin wohnen. Die meiste Zeit war es der Öffentlichkeit nicht zugänglich, stand verschlossen und verweist auf seiner Spreeinsel. Der Bewuchs mit einer Dornenhecke blieb zwar aus, stattdessen haben sich die Eichen in den letzten 300 Jahren hochgemacht und gespenstische Geschichten ranken sich um das Gemäuer.
Der König kommt
Schon der Erbauer hatte Pech. Er erlebte die Fertigstellung des Schlosses 1712 nicht mehr. Der Legende nach fädelte der Bruder der Witwe den Verkauf des Schlosses an König Friedrich Wilhelm I. ein. Die Hintergründe des Deals mit dem bekanntermaßen unfreigiebigen Soldatenkönig blieben im Dunkel der Geschichte. Aber von Vorteilsnahme ist wohl die Rede. Von der Gicht geplagt, bewohnte er immerhin während seiner letzten vier Lebensjahre des Öfteren das Schloss. Seine Erben, sowohl einer seiner Söhne als auch sein Enkel, nutzten das Schloss nie. Dennoch blieb es in königlichem Besitz.
Kusswillige Prinzen kamen und gingen
Nachdem Preußen von Napoleon 1806 überrannt wurde, musste es mit dem Tilsiter Frieden Kontribution in ungeahnter Höhe an Frankreich zahlen. Dies brachte die Preußische Staatskasse in arge Bedrängnis und so wurden viele Güter veräußert. Kossenblatt wurde an die Familie Buchholtz erbverpachtet. Sie bewirtschaftete nun das Gut und war 1863 finanziell in der Lage das Schloss zu kaufen. 1900 war es mit dem finanziellen Höhenflug schon wieder vorbei und Schloss und Gut wurden zwangsversteigert. Die Besitzer wechselten nun stetig bis 1945 der letzte Besitzer von den Sowjets enteignet wurde. Nach dem Krieg war es erst sowjetische Kommandantur, dann Vertriebenenunterkunft und Kindergarten. Ab 1957 zog die Zentralstelle für Reprografie des staatlichen Filmarchivs in die altehrwürdigen Mauern ein und kopierte eifrig hinter verschlossenen selbigen verschiedentliches Archivgut bis zum Ende der DDR. Diese konspirative Arbeit inmitten der real existierenden Abgeschiedenheit war der Präsenz des Schlosses in der Öffentlichkeit natürlich nicht zuträglich. Und so blieb es Außenstehenden, wieder einmal, verschlossen.
Auf und Ab und hin und her
Das änderte sich, als die Gemeinde das Schloss nach der Wende von der Treuhand kaufte und in Teilen vermieten konnte. Öffentliche Veranstaltungen fanden statt, ein Trauzimmer wurde eingerichtet, Leben zog ein. Als 2005 die Mieter wegbrachen, stand das Schloss wieder zum Verkauf. 2011 fand sich ein Neuer, der schon im Folgejahr auf Rückabwicklung klagte. Seit 2014 hat das Schloss wieder einen neuen Besitzer. Seither ist es wieder still am Schloss. Das Tor ist verschlossen. Nur eine Infotafel berichtet sachlich und kurz angebunden über das Schloss. Einem Dornröschenschloss gleich, von uraltem Baumbestand fast völlig verdeckt, steht es auf seiner Spreeinsel und bleibt dem unbedarften Wanderer gänzlich verborgen. Nur Eingeweihte und Belesene wissen um das Besondere dieses Schlosses als kleine Randnotiz der Preußischen Geschichte.
HIER könnt ihr rund um Kossenblatt mitwandern.
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2 Comments on “Schloss Kossenblatt im Dornröschenschlaf”
Habe heute das Schloss besichtigt; zumindest aus der Ferne. Alles ist ja im Dornröschenschlaf (=abgesperrt); unabhängig von Corona. Imposant sind die alten Bäume; heute noch ohne Laub. Es muss dringend etwas passieren; der bauliche Zustand ist bedenklich.
Wäre schade, wenn der Dauerschlaf nicht unterbrochen wird.
PS. Jetzt noch eine Empfehlung: Die Kirche in Herzberg.
Lieber Klaus,
vielen Dank für deinen Leserbesuch. Jetzt in noch unbeblättertem Zustand der Bäumen lässt sich ja ein besserer Blick auf das Schloss erhaschen als im Sommer. Ich verfolge auch das weitere Schicksal dieses Schlosses und hoffe ebenfalls auf eine positive Entwicklung. Vielen Dank für den Tipp!
Viele Grüsse
Sandra